Affective Culture – affecting Cultures Eine transnationale Geschichte des Goethe-Instituts von seinen Anfängen bis zur Gegenwart
Das Goethe-Institut stellt seit fast 70 Jahren ein zentrales Element deutscher Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik dar. Seit seiner Gründung 1951 gehört es nicht nur fest zum außenpolitischen Ensemble der Bundesrepublik Deutschland, sondern amtiert auch in der öffentlichen Wahrnehmung als ein kulturpolitischer Global Player, der Kenntnisse der deutschen Sprache im Ausland vermittelt, Kulturaustausch fördert, Begegnungsräume schafft und Dialogprozesse in Gang setzt.
Doch wie tief ist die globale Signatur einerseits tatsächlich in das Selbstverständnis der Organisation eingeschrieben, und in welchem Maße zeigt sich das institutionelle Selbstverständnis andererseits eingebunden in nationale Wertesysteme und Bedeutungszusammenhänge? Welche Vorstellung von Kultur und kulturellem Austausch lag und liegt dem Selbstverständnis des Goethe-Instituts zugrunde, und wie kompatibel ist dieses Kulturverständnis mit den in den Gastländern prädominanten Vorstellungen davon, was Kultur ausmacht und leisten kann? Und wie ist es dabei um die Außenwahrnehmung des Goethe-Instituts bestellt? Wie ist das Goethe-Institut in den vergangenen 70 Jahren mit der nach wie vor vorherrschenden westlichen Repräsentationshoheit und dem ungleichen Kräfteverhältnis der kulturellen Repräsentationen umgegangen? Wurde und wird seine Arbeit auch in den Gastländern als gelungene Arbeit am Aufbau symmetrischer Beziehungen und reziproker Dialogverhältnisse wahrgenommen?
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist immer auch Affektpolitik – sie will nachhaltige Wirkungen erzielen, verfolgt bestimmte Interessen und richtet sich an Werten aus. Im Dreigespann aus ökonomisch orientierter Außenhandelspolitik und klassischer politischer Diplomatie, kommt ihr die Aufgabe zu, affektive Verbindungen zwischen Deutschland und den Staaten der internationalen Gemeinschaft aufzubauen und zu regulieren. Wie versteht das Goethe-Institut seine Rolle im Kontext der bundesdeutschen und europäischen Affektpolitik im Ausland – insbesondere angesichts postkolonialer Fragestellungen, beschleunigter Globalisierungsprozesse seit 1990, der zunehmenden Ausrichtung Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik auf globale ordnungspolitische Ziele (wie etwa die Implementierung von Völkerrecht, Menschenrechten und Demokratie) und angesichts der Debatten um eine postnationalstaatlich ausgerichtete Kulturpolitik?
Vor dem Hintergrund dieser Leitfragen spannt sich die komplexe Geschichte einer Institution samt ihrer anspruchsvollen räumlichen Organisationsstruktur auf, die in der zeitgeschichtlichen Forschung insbesondere im Hinblick auf ihren globalgeschichtlichen Index noch nicht hinreichend beleuchtet wurde. Das Forschungsprojekt macht sich die Historisierung, Periodisierung und Kontextualisierung der Arbeit des Goethe-Instituts von seinen Anfängen 1951 bis zur Gegenwart zur Aufgabe und legt dabei besonderes Augenmerk darauf, die Institutsgeschichte in den weiteren Horizont transnationaler Verflechtungen zu stellen.